
Autor: Robin Hobb
US 1995
Erster Band (The Farseer)
392 Seiten
Verlag: Harper Voyager
Genre: Epic Fantasy
ISBN: 9780007562251
Inhalt
Fitz ist ein Bastard, der Sohn eines Prinzen und eines Bauernmädchens. Doch schon in jungen Jahren nimmt ihn der König in seine Dienste. Noch ahnt Fitz nicht, was er für seine Treue aufgeben muss – seine Ehre, seine Liebe, sogar sein Leben! Denn die Intrigen bei Hofe sind mannigfaltig, und Fitz kann seine Augen nicht vor dem drohenden Unheil verschließen, das dem Reich droht. Doch da befiehlt ihm der König, genau das zu tun. Fitz muss sich entscheiden: Wird er gehorchen oder seinem eigenen Gewissen folgen?
»But take him now, Regal, and shape him, and a decade hence you will command his loyalty. […] A bastard, Regal, is a unique thing. Put a signet ring on his hand and send him forth, and you have created a diplomat no foreign ruler will dare to turn away. He may safely be sent where a prince of the blood may not be risked. Imagine the uses for one who is and yet is not of the royal bloodline. Hostage exchanges. Martial alliances. Quiet work. The diplomacy of the knife.«
Seite 46
Aufmachung
Es erfreut mich immer wieder, wenn es ein einheitliches Design der Bücher verschiedener, aber doch zusammenhängender Reihen von Autoren gibt. Die oben dargestellte Version bietet eine einerseits zu der Erzählung passende Aufmachung und andererseits eine solche, die zeitlos wirken kann. Die Details unterstützen die Geschichte, ebenso wie die beigefügte Karte, und schaffen zugleich eine stimmige Atmosphäre.
Der Titel spiegelt zudem treffend den Inhalt des Buches wieder und bevorzuge ich die originale Version über den aktuellen deutschen Titel „Die Gabe der Könige“ (bei Bastei-Lübbe zuvor „Der Adept des Assassinen„), welcher zwar nicht gänzlich abwegig ist, aber weniger den eindeutigen Bezug zu dem Protagonisten Fitz schafft.
Eigene Meinung
Bewegt man sich im Bereich des Fantasygenres, fällt dieses Buch grundsätzlich zu einem beliebigen Zeitpunkt ins Auge. Es scheint unvermeidbar zu sein, nicht von Robin Hobb zu hören, aber ist ihre Präsenz in diesem Genre durchaus begründet.
Im jungen Alter von sechs Jahren gerät Fitz an die Königsfamilie Farseer der Sechs Herzogtümer. Als Bastard war er in der einfachen Familie seiner Mutter ungewollt und nun soll die Familie seines Vaters für ihn aufkommen, doch wird ihn seine Herkunft für immer begleiten und tiefgehend prägen. Selbst nach all den Jahren, in denen er als Stallbursche heranwächst bis er in der Etikette des hohen Adels unterrichtet wird, fühlt er sich nicht zugehörig. Und für den König scheint er lediglich für einen Zweck nutzbar zu sein.
»I know the Fool is strange. But I like it when he comes to talk to me. He speaks in riddles, and he insults me, and makes fun of me, and gives himself leave to tell me things he thinks I should do, like wash my hair, or not wear yellow. But. […] I like him. […] He mocks me, but from him, it seems a kindness. He makes me feel, well, important. That he could choose me to talk to.«
Seite 195
Diese Lektüre beginnt mit den ersten Erinnerungen des Protagonisten Fitz und verbindet dabei chronologische Erzählungen seiner Jugendzeit mit Eindrücken der gegenwärtigen Zukunft, welche den Anfang eines jeden Kapitels als Niederschriften einer entstehenden Chronik bilden und zudem die Geschichte des Handlungsortes untermalend erläutern. Auf diese Art bekommt der Leser einen Blick auf das mögliche Schicksal des Protagonisten, wobei hierdurch Interesse bezüglich der vergangenen Geschehnisse geweckt wird, welche zu seiner zunehmend deutlicheren, aber dennoch überwiegend ungewissen Lage geführt haben. Dennoch entsteht somit keineswegs eine allzu klare Vorhersehbarkeit.
Allgemein ist das gewählte Mittel ein sehr treffliches für diese Erzählung, zumal somit einerseits eine Reflexion eines älteren und reiferen Geistes in Erwähnung tritt, sodass eine differenzierte Wertung von ungerechten und grausamen Situationen entsteht, welche einen Kontrast zu dem naiven, unerfahrenen Ich von Fitz darstellt. Auf diesem Weg wird gezeigt und hervorgehoben, welche Taten moralisch falsch und ungerecht sind, während ein Kind dies womöglich nicht sehen würde, aber auch keine andere Sicht oder Aufklärung im entscheidenden Punkt bekäme. Beispielsweise werden Sexismus oder die Misshandlung eines Kindes nicht unkommentiert als zweifellose Normalität gelassen. Dies zeigt umso mehr die Manipulationen, Bestechungen und Ignoranz, von welchen Fitz stets begleitet wird und mehr und mehr kennenlernt. Andererseits führt die Erzählweise als Darlegung von Erinnerungen dazu, dass nicht in Frage gestellt wird, weshalb seine Kindheit nicht sämtliche Details enthält, sondern manche im Laufe der Zeit und aufgrund des Fokus auf wichtigere Umstände und Ereignisse verloren gehen. Diesbezüglich erklärt sich ebenso, weshalb gewisse Geschehnisse zuvor unerwähnt geblieben sind, da sich Perspektiven und Realisierungen natürlich je nach Wissenstand und Bewusstsein des Protagonisten verschieben und wichtige Details erst im Nachhinein als solche betrachtet werden. Der Geist des Lesers wird grundsätzlich sanft in eine bestimmte Richtung im Zuge der Gedankengänge der Hauptfigur gelenkt, ohne großartig die Frage nach anderen fehlenden Elementen aufkommen zu lassen, da man derart von der Geschichte eingenommen sein kann und sich alles wunderbar aneinander fügt. Der Rückblick auf die Jugend der Hautfigur geschieht mit zeitlichen Sprünge, welche dennoch flüssig ineinander übergehen, aber den Eindruck erwecken, die Geschehnisse seien lediglich wie eine teils verschleierte Aneinanderreihung früherer Momente. Doch genau dies spiegelt die Realität von Erinnerungen an die Kindheit und deren subjektive sowie zeitlich liquide Eigenart. Oftmals bleibt lediglich die Gewissheit, dass etwas geschah, doch nicht das Alter, in welchem man sich befand.
Is it the nature of the world that all things seek a rhythm, and in that rhythm a sort of peace? Certainly it has always seemed so to me. All events, no matter how earthshaking or bizarre, are diluted within moments of their occurrence by the continuance of the necessary routines of day-to-day living. Men waling a battlefield to search for wounded among the dead will still stop to cough, to blow their noses, still lift their eyes to watch a V of geese in flight. I have seen farmers continue their plowing and planting, heedless of armies clashing but a few miles away.
Seite 41
Schon nach dem leichten Einstieg taucht man fasziniert in eine interessante und meiner Meinung nach gefühlvolle Geschichte ein, geleitet von einem reichen, flüssigen Schreibstil, welcher Orte erblühen lässt und sie nicht trüb aufzeigt, alle Sinne anspricht und Atmosphäre schafft. Es mag eine klassische Erzählung für dieses Genre sein, doch ist sie definitiv gelungen. Man sieht die Liebe zum Detail bezüglich einer realistisch anmutenden, altertümlichen Welt. Es gibt eine große Vielfalt an Beschreibungen und eben jene kleine Anmerkungen, welche einer Geschichte mehr Fülle und Tiefe geben, wie die Erwähnung von Tintenflecken auf einer rechten Hand oder unbedeutende Hinweise zum Verständnis von Traditionen. Das Wesen der handelnden Figuren wird oftmals durch kleinste Details der Umgebung eingefasst, wodurch unbemerkt Eigenarten bewusst werden und sich die Charaktere voneinander abheben.
Besonders hervorzuheben ist meinem Empfinden nach die Einfühlbarkeit des Protagonisten. Manche Leser werden der Prämisse dieses Buches womöglich nicht angetan sein. Wie viel kann Fitz ertragen, bevor er bricht? Persönlich präferiere ich oftmals Geschichten, die sich mit einem derartigen Charakter und dessen negativen Gefühlen auseinandersetzen. Robin Hobb beschreibt das Leben des jungen Fitz auf eine solche Weise, dass man sich in ihn hineinversetzen und mit ihm fühlen kann. Man spürt seine Einsamkeit, den Schmerz des Verlustes, des Alleinseins, der fehlenden Zugehörigkeit. Einem wird die Tiefe von Gefühlen und Trostlosigkeit bewusst, welche manchmal nicht schlicht vorbeigeht, aus welcher man nicht selbst entkommen kann oder welcher man am Ende nur nachgeben möchte, wenn alle Träume verloren zu sein scheinen, wenn alle Leidenschaften und Freuden im Kern erstickt werden. Teils ist man unwissend oder ignoriert die kleinen Dinge, die schließlich das wichtigste im Leben sind. Dieses Buch ist nicht beschönigend und zeigt es die Tiefen und Höhen von Stimmungen auf. Doch mag dies nicht jeden ansprechen und kann die Wiederholung negativer Ereignisse ein Dorn im Auge sein. Eigentlich entwickelt sich Fitz früh zu dem Auserwählten und Begabten, aber gleichzeitig kämpft er auch für das Erlangen von Fähigkeiten, wobei seine Interessen menschlich kommen und gehen, und werden ihm Steine in den Weg gelegt, die manchmal wie das Ende des Pfades und aller Möglichkeiten sind.
I know he meant well. But I did not feel protected by him, but confined. He was the warden that ensured my isolation with fanatical fervor. Utter loneliness was planted in me then, and send its deep roots down into me.
Seite 40
Aufgrund des Standes des Protagonisten innerhalb der Gesellschaft wirken die Aufstellung und das Erwähnen von anderen Personen als wenig störend oder leer. In manch anderen Werken erzeugt die Einführung weniger Figuren eine Blässe der Welt, während die gewählten Umstände um den Protagonisten eine plausible Erklärung für wenige Kontakte mit anderen Menschen geben, zumal die Tiefe durch stimmige Beschreibungen gestärkt wird. Darüber hinaus entwickeln sich Beziehungen, sie zeigen gute und schlechte Seiten auf, sind verbunden mit positiven als auch negativen Gefühlen und festigen sich über einen längeren Zeitraum, anstatt aus dem Nichts zu erscheinen. Es gibt nicht allzu viele handelnde und darüber hinaus bedeutende Figuren, doch wurde ein ausgewogenes Verhältnis an Interaktionen mit anderen Menschen oder Charakteren des Hintergrundes getroffen, dass ich dies nicht als störend empfunden habe, auch da sich je nach Alter und Entwicklungsstand Fitz’s seine Kontakte und vor allem Vaterfiguren oder gar neue Meister ändern. Wie zuvor erwähnt, werden die Charaktere hinreichend illustriert, sodass eine leichte Unterscheidung möglich ist und sich Namen gut einprägen.
Zu guter Letzt gibt es ein Element, welches das Buch die Einordnung in das Fantasygenre gibt, wobei es in diesem Band noch recht spärlich vorhanden ist. Jene des Blutes der Farseer können mit dem richtigen Talent und Unterweisung die Gabe des Skill erlernen und sich zu eigen machen. Auf der einen Seite kann die Einführung sowohl des Skill als auch der nicht weniger für die Handlung und Entwicklung von Fitz wichtigen Gabe des Wit unzureichend sein und sollte die Ungeduld der fehlenden Erklärung zu Anfang nicht die Überhand gewinnen, da diese zu einem späteren Zeitpunkt aus guten Gründen blass in Erscheinung treten. Wiederum lässt dies auf der anderen Seite Freiraum für die Charakterbildung des Protagonisten in der ohnehin reich gefüllten Erzählung. Womöglich gewinnen die Gaben in den Folgebänden mehr an Bedeutung, bedenkt man, dass gewisse Anspielungen und Vorbereitungen getroffen worden sind, welche die Sechs Herzogtümer in ihrer Gänze und nicht ausschließlich Fitz betreffen. In Teilen ist der übernatürliche Aspekt jener, der den Lesefluss anreizt, vor allem da die Gabe in der Welt von Fitz selbst in Schleier des Geheimen in Vergessenheit geraten ist und nur Bruchstücke bekannt sind. Zugleich ist die Gabe derart geschickt in das Bewusstsein von Fitz eingefügt, dass sie unmerklich in Erscheinung tritt und erst im Nachhinein erkannt wird.
Fazit
Resümierend ist dies ein Werk, welches eine traurig schöne, emotional bewegende Geschichte über Verlust und Spiele der Macht erzählt, welche das Leben eines kleinen Jungen grundlegend verändern und manipulieren. Trotz offener Fragen kann man diesen Auftakt ebenso als eine alleinstehende Geschichte sehen, welche den Leser auf eine volle und ereignisreiche Reise mitnimmt und dabei ausreichend Tiefgründigkeit für diese Art des Erzählens gibt.
4,5/5 ★